Forumtheater und unser “Theater der Begegnung”

Stille und Licht. Quer im Raum liegt eine Aufgabe. Ein junger Mann, eine stille junge Frau – seit kurzem in Nachbarschaft lebend – haben sich im Treppenhaus nach einer freundlichen Begrüßung durch den Mann mit Worten und Schweigen verletzt. Das tat weh und deshalb entstand eine ganz verzwickte Situation. Wie weiter? Sich aus dem Weg gehen? Doch was, wenn die beiden sich jeden Tag begegnen? Warum reagiert sie zurückhaltend – warum er misstrauisch?

In der Forumtheatergruppe kreisen Gedanken und neue Ideen machen die Runde. Sprechen und Zuhören, Abwägen und Verwerfen. Eine Lösung wird vorgeschlagen und sofort auf Tauglichkeit getestet. Dabei helfen alle aus der Gruppe: Ideen sammeln, austauschen, ausprobieren und Ergebnisse festhalten. Der Spielleiter unterstützt die Teilnehmenden dabei. Forumtheater ist eine Methode, um eine Lösung für meist unbefriedigenden Situationen – wie die oben beschriebene – zu finden und auszuprobieren. Theater meint den spielerischen Zugang. Das ungefährliche Ausprobieren neuer Ideen und den gemeinsame Aha-Effekt. Im Ortsamtsbereich Pieschen wird ein Ort geschaffen, der Begegnungen der unterschiedlichsten Menschen als inklusives Projekt ermöglicht.

Im Forumtheater greifen die Teilnehmenden ihre eigenen Themen auf. Das Theaterspiel dient als Methode, das eigene Wohlbefinden, aufregende Themen des Alltags und das immer wieder Auftreten von Konflikten in den Mittelpunkt zu stellen. Die gefundenen Themen werden besprochen, zu spielbaren Szenen entwickelt, geprobt und direkt vor Ort – aufgeführt und mit den Zuschauenden, das sind die „Zu-schau-Spieler“ neu und lösungsorientiert gestaltet. Forumtheater hat den großen Vorteil, dass das Spielen von Szenen Spaß macht, niemand sprachlich und argumentativ geschult sein muss, Defizite kaum eine Rolle spielen, denn das Einfühlen in eine Rolle geht oft überraschend einfach. Damit wirkt Forumtheater auf Körper, Seele und Gemeinschaft, ist ganzheitlich. Die Menschen werden dort abgeholt, wo sie stehen.

Der brasilianische Theaterpädagoge Augusto Boal entwickelte diese Methode unter schwierigen politischen Verhältnissen in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts – mittlerweile ist sie weltweit bekannt, anerkannt, ja berühmt geworden. Das Theaterpädagogische Zentrum Sachsen hat seit über zehn Jahren Erfahrungen mit der Methode des Forumtheaters in der Projektarbeit an sächsischen Schulen gesammelt und hat sie weiterentwickelt durch die Nutzung von Elementen aus dem sozialen Kompetenztraining.

Grundlage der Forumtheatermethode ist, dass Einstellungen, Meinungen und Konflikte oft wie ein Automatismus ablaufen. Im Forumtheater kann dieser aber durchbrochen werden. Jeder kennt, wie er plötzlich von Emotionen und reflexartigen Handlungen überrollt wird. Dann ist es sehr schwer, sich in der Situation zu besinnen und zu reflektieren. Durch das Forumtheater wird der KONFLIKT INS BILD GEBRACHT. Da Gefühle und Bilder oft eine Einheit bilden, werden Gefühle sichtbar und es ist möglich, in der Distanz eine Beobachtungsposition einzunehmen und nach neuen Wegen zu suchen. Die Zuschauenden verändern durch ihr Eingreifen das Bild und damit die Gefühlsebene. Dies wird von den Teilnehmenden als beeindruckende Erfahrung erlebt – es entsteht ein wirkliches Theater der Begegnung.
Was ist das Innovative an Forumtheater und unserer Arbeit damit?

Mit Forumtheater ist es möglich, das gesellschaftlichen Defizit an Teilhabe von Menschen, zum Beispiel von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, aufzuheben. Dies realisieren unter anderem im Projekt FORUM:Merkurius. Forumtheater ist niedrigschwellig, progressiv und ressourcenfördernd. Das TPZ Sachsen macht diese Methode gezielt bekannt, dadurch wird vielen Menschen die Möglichkeit gegeben, sie kenn zu lernen und daran teilzuhaben.

Das Forum-Theaterspiel ist eine nachhaltige Form der Begegnung und der persönlichen Erfahrung, da sich alle Beteiligten (Teilnehmende, Spielende wie Zuschauende) in einem gemeinsamen, schöpferisch kreativen Erfahrungsraum bewegen. Dadurch kommt es zu konkreten, sinnlichen Erfahrungen und Erlebnissen, die nachhaltig wirken. Die Zuschauer erleben ihre Selbstwirksamkeit, ihre Kreativität, ihre Bedeutung – das ist in unserem ablenkungsreichen und schnelllebigen Zeitalter ein innovatives und kostbares Gut.

Forumtheater

  • bietet einen methodischen Leitfaden
  • ist einfach und lebensnah
  • ist subjektorientiert
  • ermöglicht fairen Umgang miteinander
  • ermöglicht soziales Lernen durch Theaterspiel
  • gestaltet Zusammenleben neu
  • baut Vorurteile ab
  • ermöglicht neue Sichten auf den Anderen
  • bedeutet spielerisches Handeln
  • macht Situationen deutlich
  • lässt Ressourcen entdecken
  • ist körperlicher Ausdruck
  • überwindet sprachliche Hindernisse
  • ist ganzheitliche Erfahrung
  • ermöglicht neue Blickwinkel
  • macht Selbstwirksamkeit erfahrbar
  • ist in langjährigen Projekten erprobt

Ursprünglich von Boal als Methode des eher politischen Theaters entwickelt und ausgebaut, wenden wir die Arbeit mit Forumtheater mit Fokus auf individuelle, psychosoziale und seelische Aspekte des Menschen an, gehen weg vom Konfrontativen hin zum Verständnis und Verstehen: Im Spiel miteinander begegnet sich der Mensch selbst und anderen. Deswegen nennen wir unsere Form das „Theater der Begegnung“.

Wie geht das eigentlich, Forumtheater? Um das möglichst einfach zu erklären, haben wir mit Hilfe des Zeichners Nils Oskamp einen Comic erstellt, den Sie hier sehen können

 

Hier können Sie den Comic herunterladen, einmal als Heft und einmal als Faltblatt im hemd- und hosentaschenfreundlichen Format.